Eine Übersicht über Screenreader für die gängigen Betriebssysteme, Linux, Mac und Windows.
Screenreader („Bildschirmleser“) sind Programme, die auf dem Computer-Bildschirm dargestellte visuelle Inhalte mit Hilfe einer Sprachausgabe vorlesen oder auf einer Braillezeile darstellen können. Dabei sind sie weit mehr, als nur eine Sprachausgabe. So informiert der Screenreader z.B. über Layout und Formatierung des Textes und sagt Bedienelemente wie Menüs und Schaltflächen an. Damit wird es möglich, auf dem ganzen Bildschirm (nicht nur im Text) mit Tasten und Tastenkombinationen zu navigieren. Zusätzlich zu den regulären Tastenkombinationen, wie beispielsweise zum Kopieren und Einfügen von Text, stellt ein Screenreader viele weitere Tastenkombinationen zur Verfügung, um damit Aktionen auszuführen, die ein sehender Benutzer mit der Maus ansteuert.
Der Screenreader sagt auf Wunsch die Position des Cursors auf dem Bildschirm an.
Es gibt zwei Varianten von Screenreadern:
- integrierte Screenreader: mit dem Betriebssystem ausgelieferte Programme, die der Benutzer einfach nur „einschalten“ muss. Hierzu zählen z.B. VoiceOver auf dem Mac oder IPhone, Orca auf Linux-Betriebssystemen und TalkBack auf Android-Smartphones
- externe Screenreader: separate Programme, die als zusätzliche Software auf dem Computer installiert werden. Hierzu zählen u.a. der freie Screenreader NVDA (Non Visual Desktop Access) und das kostenpflichtige JAWS (Job Access With Speech).
Nicht zu den Screenreadern im engeren Sinne zählen die Sprachausgaben, die manche Programme mit an Bord haben, wie z.B. die Vorlesefunktion in einigen Browsern.

Orca auf Linux Betriebssystemen
Der Screenreader für Linux Distributionen mit GNOME Desktop-Umgebung hat den Namen Orca. Er ist Bestandteil der Ubuntu Standard-Installation, von Fedora Workstation, Debian und OpenSuse.
Orca wird aber inzwischen auch von anderen Distributionen und Desktop-Umgebungen eingesetzt, wie z.B. Linux-Mint mit Cinnamon-Desktop oder dem KDE Desktop. Bei Linux Distributionen mit KDE Desktop muss Orca ggf. erst installiert werden.
Man aktiviert den Screenreader über die Einstellungen > Barrierefreiheit > Sehen oder mit der Tastenkombination
Super
+ Alt
+ S
Die Taste „Super“ entspricht der Windows-Taste.
Weitere Informationen finden Sie in unserem Artikel:

VoiceOver auf dem Mac
Wie Linux Systeme verfügt auch der Mac über einen integrierten Screenreader mit dem Namen „VoiceOver“. VoiceOver gibt gesprochene Beschreibungen der Objekte auf dem Computerbildschirm aus und liest Texte in Fenstern und Dokumenten vor.
Sie müssen keine zusätzliche Software installieren. Man aktiviert und deaktiviert VoiceOver über die Einstellungen > Bedienungshilfen > VoiceOver oder kürzer mit der Tastenkombination
cmd
+ F5
Hinweis: um F5
als Funktionstaste zu benutzen, müssen Sie zusätzlich die fn
– Taste gedrückt halten (falls die Einstellung nicht verändert wurde). Damit ist die Tastenkombination
cmd
+ fn
+ F5
Eine Einführung finden Sie in unserem Beitrag über VoiceOver
Weitere Informationen liefert das Benutzerhandbuch
Screenreader für Windows
Für Rechner mit Windows Betriebssystem wird oftmals der freie Screenreader NVDA oder das kostenpflichtige Programm JAWS eingesetzt. Beide Programme müssen separat installiert werden. Sie sind in den Grundfunktionen und dem Bedienkonzept sehr ähnlich.
Windows verfügt über eine integrierte Sprachausgabe, die aber in nicht von Microsoft stammender Software oftmals schlecht oder gar nicht funktioniert und aktuell noch nicht den Funktionsumfang von Screenreadern bietet.

NVDA
NVDA (Non Visual Desktop Access) ist ein kostenloses OpenSource Programm. Es kann von der Herstellerseite heruntergeladen werden. Hinter NVDA steht eine ambitionierte Entwicklergemeinschaft, das Projekt finanziert sich aus Spenden.
Ausfühliche Informationen zu NVDA finden Sie unter den nachstehenden Links:

JAWS
JAWS (Job Access With Speech) ist ein kostenpflichtiger, sehr ausgereifter Screenreader der Firma Freedom Scientific. Für Menschen deren Rest-Sehfähigkeit unterschreitet, übernehmen die Krankenkassen (nach ärztlicher Verordnung) die Kosten.
Funktionen:
- Sprachausgabe und Braille-Unterstützung
JAWS liest den Bildschirminhalt laut vor und unterstützt dabei diverse Sprachen. Es kann die Sprache von Dokumenten und Webseiten automatisch erkennen und die Stimme entsprechend anpassen. Für die unterschiedlichen Sprachen stehen viele Stimmen zur Verfügung, die jeweils in Sprechtempo und Klang individuell angepasst werden können.
Für Nutzer, die taktile Rückmeldungen bevorzugen, unterstützt JAWS die Ausgabe auf einer Braillezeile. Die Braillesprache kann schnell umgeschaltet werden, was besonders für mehrsprachige Nutzer hilfreich ist.
- Navigation und Schnellzugriffe
JAWS verwendet einen virtuellen Cursor, der es ermöglicht, in Webseiten und Anwendungen zu navigieren, auch wenn diese nicht vollständig barrierefrei gestaltet sind. Mit Schnellnavigationstasten (das sind spezielle Tastenkombinationen) können Nutzer direkt zu Inhalten wie Überschriften, Links oder Tabellen springen. Diese Funktion kann individuell angepasst werden.
- Unterstützung für verschiedene Dateiformate und Programme
JAWS ist mit einer Vielzahl von Anwendungen kompatibel, darunter Textverarbeitungsprogramme, Tabellenkalkulationen und Webbrowser. JAWS unterstützt auch das EPUB-Format, ein gängiges Format für digitale Bücher,
- Erweiterte Funktionen für professionelle Nutzer
JAWS Tandem: Diese Funktion ermöglicht es, Remote-Support zu leisten, indem ein anderer Nutzer auf den Computer zugreifen kann, um Unterstützung zu bieten. Dies ist besonders nützlich für technische Hilfe oder Schulungen. Remote-Zugriff: Für professionelle Lizenzen bietet JAWS die Möglichkeit, Remote-Zugriff zu nutzen, was in Unternehmensumgebungen hilfreich ist.
Zusätzlich lässt sich JAWS durch Skripte an die Bedürfnisse des Benutzers bzw. die Anforderungen bestimmter Programme anpassen. Das ermöglicht den Umgang mit Anwendungen, die nur ein geringes Maß an Barrierefreiheit bieten.
- Anpassung der Audioausgabe
Sound-Teilung: JAWS ermöglicht die Trennung der Sprachausgabe von anderen System-Sounds. Nutzer können die Sprachausgabe im Stereofeld ausrichten oder auf eine andere Soundkarte umleiten, was die Nutzung flexibler macht.
Wie alles funktioniert
Allen Screenreadern gemein ist, dass sie im Hintergrund auf einen Speech Synthesizer (Sprach Synthese) zugreifen. Ein Speech Synthesizer ist eine Software, die geschriebene Texte analysiert, um daraus im letzten Schritt akustische Signale und damit synthetische Sprache erzeugt.
Zusätzlich sorgt der Screenreader für die Transformation der grafischen Bedienoberfläche in einen linearen Datenstrom. Bunte, mehrdimensionale Bildschirminhalte werden vereinfacht, um daraus eine lineare Zeichenkette zu erstellen. Dazu muss in die sichtbaren Bedienelemente, wie Mauszeiger, Fenster, Menüs, App-Symbole eine klare Struktur gebracht werden. Die Inhalte werden reduziert und nur genau das in den Fokus gebracht, was der Benutzer zur aktuellen Bedienung als nächstes benötigt. Dieser Ablauf wird in Zeichenketten umgesetzt. Die Software gibt die Informationen an den Sprachsynthesizer weiter.
Sprachsynthesizer
Es gibt verschiedene solcher Programme, die bei den Screenreadern zum Einsatz kommen. Für den Endanwender wird dies vor allem durch die unterschiedlichen Stimmen von Bedeutung.
So setzt z.B. JAWS (ab Version 18) einen Speech Synthesizer mit dem Namen Vocalizer Expressive (Version 2) ein.
Die Stimmen dieses Sprachsynthesizers werden in zwei Formen angeboten: kompakte Stimmen und einzelne hochwertige Stimmen. Die kompakten Stimmen haben eine geringere Dateigröße und benötigen weniger Speicherplatz auf dem Computer. So kann man eine einzige Datei herunterladen, die alle Stimmen und Dialekte für eine ausgewählte Sprache enthält. Diese Stimmen bieten eine sehr gute Sprachqualität bei hoher Sprechgeschwindigkeit. Bei den Premium-Stimmen sind die Dateien größer, bieten aber die höchste Sprachqualität.
Zusätzlich steht der HumanWare Voice Synthesizer als Sprachausgabe-Technologie von Drittanbietern zur Verfügung, Sie nutzt die Stimme „Eloquence“. Diese Stimme ist bekannt für ihre Geschwindigkeit und Klarheit.
SAPI 5 (Speech Application Programming Interface): JAWS nutzt die Microsoft Speech API (SAPI) für die Sprachausgabe. Dies ermöglicht die Verwendung von SAPI-kompatiblen Stimmen, wie z.B. die Microsoft Voices, die in Windows eingebaut sind, sowie andere Drittanbieter-Stimmen, die SAPI unterstützen.
Die Informationen werden an die Audioausgabe oder an eine Braillezeile weitergeleitet.
Was der Benutzer lernen muss
Eine wichtige Voraussetzung ist der routinierte Umgang mit der Tastatur, der Benutzer muss wissen, wo sich die einzelnen Tasten befinden und diese „blind“ finden.
Kenntnisse über die einzelnen Tastaturbefehle sind notwendig. Und zu guter letzt ist auch ein Verständnis der nicht-visuellen Orientierung auf der grafischen Benutzeroberfläche von Vorteil.